Landshut im Nationalsozialismus
Irgendwie war es für mich immer so, als hätte es den Nationalsozialismus in Landshut nicht gegeben: In der Schule habe ich davon nichts erfahren (vielleicht auch nicht erfahren wollen), meine Lehrer waren zum Teil noch vom sehr alten Schlag, die dieses Kapitel gerne ganz ausgeklammert haben, und meine Familie war erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Landshut ansässig geworden. Aber es war mir klar: Es musste den Nationalsozialismus auch hier gegeben haben, auch in Landshut hatte die Reichskristallnacht im November 1938 stattgefunden, auch hier waren Juden verfolgt und deportiert worden und auch in Landshut waren Soldaten im Krieg gefallen.
Für Schüler, weibliche und männliche, ist die Erfahrung von Geschichte eine ganz andere, wenn sie „vor der Nase“ zu finden ist, wenn das Haus, an dem man jeden Tag vorbeigeht, einen Hintergrund bekommt, wenn dort beispielsweise eine Person gewohnt hat, die mit ihrer Biografie aus dem Dunkel der Geschichte heraustritt.
Diese sehr wichtige Erfahrung, Geschichte erfahr- und erlebbar zu machen, konnte ich meiner Klasse H9a am Wandertag im Juli ermöglichen, indem wir eine Führung durch das Landshut im Nationalsozialismus mit Frau Dr. Danzer vom LandshutMuseum machten. Sie führte uns unter anderem zum Kriegerdenkmal in der Neustadt, in die Kirche St. Martin, in der in einem Kirchenfenster Hitler, Göring und Goebbels zu sehen sind, wir suchten das Haus am Nahensteig auf, in dem Heinrich Himmler, der 1919 am Humanistischen Gymnasium (heute Hans-Carossa-Gymnasium) Abitur gemacht hatte, zusammen mit Gregor Straßer zwei Jahre lang gearbeitet hatte, und besuchten den Dreifaltigkeitsplatz, wo – vielen wissen es gar nicht – im Mittelalter die Synagoge gestanden hatte. Danach führte uns Frau Dr. Danzer ins LandshutMuseum, wo sich seit März eine Ausstellung zum Nationalsozialismus in Landshut gefindet. Dort erfuhren die Schüler (und natürlich auch ich) die große Geschichte aus den Büchern im Kleinen: Auch in Landshut wurden Juden durch die Altstadt zum Gefängnis getrieben. Auch in Landshut wurden Geschäfte arisiert (= jüdische Eigentümer wurden enteignet und ihre Geschäfte zu einem Spottpreis an Arier verkauft). Auch in Landshut wurden „Volksschädlinge“ dem Euthanasieprogramm der Nazis zugeführt und zum Beispiel in Mainkofen ermordet. Auch hier.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass solche Erlebnisse oft erst in der Rückschau an Bedeutung gewinnen. So hoffe ich, dass heute für meine 9. Klasse der Samen ausgestreut werden konnte, der sie in der Zukunft stark gegen rechtes Gedankengut macht. Hoffentlich.